Eine szenische Reflexion zu Pier Paolo Pasolinis Salò oder die 120 Tage von Sodom
© Cinemazero
In dem Film »Salò oder die 120 Tage von Sodom« von Pier Paolo Pasolini inszenieren vier Mächtige (ein Herzog, ein Banker, ein Richter und ein Bischof) ein grausames Ritual. Sie nehmen junge Menschen gefangen und missbrauchen sie als Folter- und Lustobjekte. Pasolinis Feststellung dazu: »Die Reduktion des menschlichen Körper auf eine Sache ist typisch für die Macht, für jede Macht. Die Macht kommerzialisiert die Körper: Wenn Marx von der Ausbeutung des Menschen über den Menschen spricht, spricht er tatsächlich über eine sadistische Beziehung.« Pasolini versetzt die Handlung von De Sades »120 Tage von Sodom« in die Zeit der faschistischen Republik von Salò, die er gleichsam als Allegorie seiner eigenen Gegenwart versteht: der Zeit des neuen »totalen Faschismus«, der Konsumgesellschaft.
»Allegorien der Macht« ist eine szenische Reflexion zu Pier Paolo Pasolinis »Salò oder die 120 Tage von Sodom«: Rund 40 Jahre nach der Veröffentlichung dieses letzten und möglicherweise reifsten Werkes Pasolinis gehen Gabriella Angheleddu, Karl-Heinz Dellwo und Fabien Vitali der Frage nach dessen allegorischer Bedeutung und, nicht zuletzt, dessen politischer Aktualität nach – als einer schonungslosen Darstellung der Mechanismen, die der Ausübung von (kapitalistischer) Macht zu Grunde liegen. Die Idee zum Projekt entstand im Jahr 2015. Noch im Oktober desselben Jahres wurde es im Hamburger Schauspielhaus uraufgeführt, bevor es 2017 in überarbeiteter Fassung beim Kongress »Dialektik der Befreiung« in Wien und 2018 beim internationalen Theaterfest in St. Vieth (Belgien) wieder aufgegriffen und öffentlich gezeigt wurde.
Gideon Bachmann, langjähriger Wegbegleiter Pasolinis, erklärte nach der Uraufführung 2015, dass es der Autorengruppe gelungen sei, den Film in seiner allegorischen Bedeutung zugänglich zu machen und ganz im Sinne von Pasolinis radikaler Gesellschaftskritik zu aktualisieren.
Wurden die Aufführungen von »Allegorien der Macht« bislang im Rahmen der Assoziation teorema gefördert, so soll das Projekt nun im Rahmen der Galerie der abseitigen Künste in erweiterter Form erscheinen. Diese definitive Fassung soll außerdem Anlass zu einer vertieften kritischen Beschäftigung mit Pasolinis »Salò« geben, deren Ziel eine deutsche Edition der restaurierten Integralfassung des Films, eine DVD und ein Buch mit kritischen Texten und unveröffentlichten Videos ist. Das Projekt wird unterstützt vom Archivio Pier Paolo Pasolini und dem Archivio Cinemazero in Italien.
SHOWS AND EVENTS:
> Faq Room 1, Schauspielhaus, Hamburg, 2015
> Literatur im Herbst, Theater Odeon, Wien, 2017
> 29. internationales Theaterfest S. Vith, Agora Theater, 2018
> After Pasolini – Visions of Today, Center for Contemporary Art – Plovdiv, 2020