Katharina Jacob
248 Seiten
Erscheinungsdatum: Juni 2020
»Wir haben den 1. Mai auch in der Nazizeit gefeiert, im kleinen Kreis unter Freunden. Rote Blumen waren immer da. Mein allerschönster 1. Mai aber war der 1. Mai 1945.
Als Häftlinge des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück wurden wir noch in den letzten Apriltagen aus dem Lager getrieben. Am Morgen des 30. April schallte es durch den Lautsprecher: ›Alle deutschen Frauen an den Straßenrand‹. Wir berieten uns kurz und beschlossen, nicht hinunterzugehen. Zum ersten Mal folgten wir einem Befehl der SS nicht. Nach einigen Stunden stellten wir fest, dass sie sich abgesetzt hatte. Eine stundenlange, nicht enden wollende Stille bricht an. In der Nacht steht ein junger Rotarmist vor unserem Erdloch, der uns verständlich macht, wir sollen in unseren Unterständen bleiben, er gehöre nur zur Vorhut.
Am Morgen, es ist der 1. Mai 1945, begrüßen uns russische Offiziere und Soldaten. Einer sagt in bestem Deutsch: ›Guten Morgen, liebe Frauen. Ihr könnt nach Hause gehen. Ihr seid frei!‹ Ich höre ihn noch.
Es ist ein herrlicher Sonnentag, dieser 1. Mai. Auf der Straße zieht die sowjetische Armee vorbei. Auf jedem Panzer stehen vorn zwei baumlange junge Rotarmisten. In ihren Händen lange rote Fahnen, die im starken Wind flattern. Es ist, als seien sie zu unserer Begrüßung angetreten. Wir lachen und weinen, wir winken und grüßen.
Auf einmal breitet sich eine große Stille aus, und dann braust ein Lied auf – in vielen Sprachen gesungen: Völker, hört die Signale!«
aus Katharina Jacob. Widerstand war mir nicht in die Wiege gelegt
Über die Autorin
Katharina Jacob (*6. März 1907 in Köln - † 23. August 1989 in Hamburg) war ausgebildete Kontoristin und Zeit ihres Lebens politisch aktiv – in den Jugendgruppen der Gewerkschaften, in der Jugendgruppe Florian Geyer, beim Kommunistischen Jugendverband (KJVD) und seit 1928 als Mitglied der KPD. 1933 zum ersten Mal verhaftet wegen Verteilung von Flugblättern, verbrachte sie nach dem Urteil ein Jahr in Haft. 1938 wurde sie erneut festgenommen und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert. Mit ihrem zweiten Mann, Franz Jacob, war sie wesentlich am Aufbau der Widerstandsorganisation der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe beteiligt. Am 6. Juli 1944 wurde sie ein drittes Mal verhaftet, dann aus Mangel an Beweisen freigesprochen, aber doch von der Gestapo in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überstellt. Dort wurde sie am 30. April 1945 von der sowjetischen Armee befreit.
Buchinhalt
Katharina Jacob war Kommunistin, Widerstandskämpferin, KZ-Überlebende und Lehrerin in Hamburg. Am 6. März 1907 in Köln als Arbeiterkind geboren wird sie während des NS-Regimes Mitglied der größten Widerstandsorganisation Norddeutschlands. Bis kurz vor ihrem Tod am 23. August 1989 schrieb sie an ihrer Biografie.
Sachlich und unprätentiös erzählt sie ihre Geschichte als Kämpferin an der Seite der Kommunisten Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen: von der Hinrichtung ihres Mannes, eines führenden Widerstandskämpfers, im September 1944 und ihrer Einlieferung Mitte November 1944 ins Frauen-KZ Ravensbrück. Sie berichtet präzise und eindringlich über die Monate in Ravensbrück und den Todesmarsch Ende April 1945. In der Nacht zum 1. Mai 1945 wird sie zusammen mit vielen anderen Frauen des KZ Ravensbrück von der Roten Armee befreit.
Ihre Autobiografie wurde um historische und persönliche Dokumente und Zeugnisse ergänzt.
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Pressestimmen
aus »informationen« Nr. 92, November 2020, 45. Jg., Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises 1933-45, S. 42